5 Fehler, die du bei der Auswahl einer Lektorin vermeiden solltest
Lohnt sich die Ausgabe für ein Lektorat für deine Texte? Da ich nicht nur Schreibcoach sondern auch Lektorin bin, lautet meine Antwort natürlich »Ja«. Ich habe schon so oft auch als Autorin erlebt, was man zusammen mit einem Text- und Sprachprofi Wunderbares aus einem Text herausholen kann.
Aber es gibt Tricks und Tipps, wie du auch wirklich das bekommst, was du von einem Lektorat erwartest – und für das du bezahlst.
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Fehler 1: zu glauben, jede Lektorin weiß, was sie tut
Jede/r darf sich »Lektorin« nennen; es setzt keine bestimmte Ausbildung, Zertifikate o.ä. voraus. Ich kenne KollegInnen, die exzellente Textarbeit leisten – obwohl sie nicht wie ich als Lektorin ausgebildet wurden.
Der Nachteil: Jeder Quereinsteiger darf sich so nennen und so tun, als hätten sie Ahnung. Folglich laufen auch viele »Lektoren« mit wenig Textverständnis, ohne eine Kenntnis der Bedürfnisse von AutorInnen und Verlagen herum.
Sie verkaufen eine Dienstleistung, die sie »Lektorat« nennen, die aber wenig mit einem »echten« Lektorat gemeinsam hat!
Kein Wunder, dass da so mancher die Idee hat, wenn er das »Vorher« und »Nachher« des Textes vergleicht: »Na, das hätte ich auch ohne Lektorat hinbekommen.«
Fehler 2: Nicht zu wissen, dass Lektorinnen für Romane und Sachbücher unterschiedliche Skills haben
Die einzigen, die »ganz offiziell« Lektorinnen sind, sind die (ehemaligen) Verlagslektorinnen. (So wie ich 😉 )
Sie müssen nach dem abgeschlossenen Studium (meist Germanistik) ein Volontariat in einem Verlag durchlaufen. Ein Volontariat heißt: 1 Jahr lang »on the job« lernen, idealerweise flankiert von externen Fortbildungen.
Im Anschluss erhalten sie die Berufsbezeichnung »Lektorin« bzw. »Verlagslektorin«. Die Bezeichnung ist immer gleich, aber das Know-how unterscheidet sich, je nachdem, ob man das Volontariat absolviert hat
- in einem Belletristikverlag (man arbeitet mit Romanen, Anthologien, …),
- in einem Ratgeberverlag,
- in einer der vielen Spielarten von Sachbuchverlagen etc.
Fehler 3: Die Lektorin passt nicht zu deinem Projekt
Da »Lektorin« allein noch nichts über das Vorwissen aussagt, würde ich an deiner Stelle eine Lektorin immer nach ihrer Verlags- und Projekterfahrung fragen.
Nicht im Sinne von: »Wie viele Titel hast du schon betreut?«
Denn die Anzahl der Titel ist fast nebensächlich. Es nutzt dir nichts, wenn die Lektorin unter Zeitdruck Hunderte Bücher mit minimalen Korrekturen durchwinkt, du aber mehr Unterstützung suchst. Dann wirst du nicht glücklich mit ihrem Lektorat sein.
Wichtiger ist:
- In welchen Sparten fühlt sie sich zu Hause?
- Mit welchen Textformen hat sie Erfahrung?
- Welche Themen hat sie schon betreut?
Jedes Lektorat ist aber auch ein Kompromiss. Denn jede/r Lektorin hat bestimmte Steckenpferde, auch wenn es ihnen oft nicht bewusst ist.
Man hätte z. B. sprachlich etwas mehr in meine Fantasy-Romane eingreifen können; meine neue Lektorin war mir aber eine großartige Sparringspartnerin für die Spannungskurve, Charaktermotivation, Plot, Worldbuilding. Das ist mir als Autorin wichtiger, als dass jemand jeden Satz aufhübscht!
Vielleicht siehst du es genau andersherum. Dann wäre für dich eine andere Lektorin ideal.
„Wenn dir Menschen sagen, mit deinem Text stimmt etwas nicht
oder er funktioniert an der Stelle nicht für sie, dann haben sie fast immer Recht.
Wenn sie dir dann sagen, was genau damit nicht stimmt
und wie du es verändern sollst, haben sie fast immer Unrecht.“
Neil Gamain
Fehler 4: Der Trugschluss »Wenige Korrekturen bedeuten, mein Roman ist toll«
Leider bieten viele Anbieter »Lektorate« für sehr günstige Seitenpreise an. »Schön für die AutorInnen«, denkt man erst.
Tatsächlich rechnet man sich als Lektorin Seitenpreise in Stundenhonorare um. Man weiß in etwa, wie viele Seiten von welcher Textsorte man im Durchschnitt pro Stunde bearbeiten kann.
Ein Beispiel:
Sagen wir als Beispiel, ein gutes Lektorat für einen Roman oder ein Sachbuch kostet etwa 10–12 Euro pro Normseite. Schafft eine Lektorin 4 Seiten pro Stunde mit einem Seitenpreis von 12 Euro, läge ihr Stundensatz bei 48 Euro. (Tatsächlich viel niedriger, da ja auch Zeit für Marketing, Akquise, Vorgespräche, das Probelektorat etc. aufwendet, die nicht separat honoriert werden!)
Nehmen wir an, du findest eine Anbieterin, die nur 5 Euro/NS nimmt.
Um auf denselben Stundensatz von um die 45 Euro zu kommen, rast die günstigere Lektorin im Schweinsgalopp durch deinen Text.
Alles, was sich nicht durch einen sofortigen Eingriff ohne großes Nachdenken verbessern lässt, wird dabei ignoriert:
- Logische Ungereimtheiten,
- Charaktere, die auf einmal ihr Verhalten ändern,
- Lieblingswörter, die du zu oft wiederholst,
- schiefe Formulieren, über deren Verbesserung man eine Viertelstunde grübeln müsste …
Was für dich »von außen« sichtbar ist, ist: »Offenbar ist mein Manuskript toll, denn selbst die Profi-Lektorin hat kaum Änderungen gehabt.«
Schlimmstenfalls hagelt es aber später kritische Stimmen auf Amazon, die genau die Dinge beklagen, die im Lektorat länger Zeit brauchen:
1. Im Roman sind das häufig Brüche in der Logik, Plotholes, ungeschickte Formulierungen und Metaphern.
2. Im Sachbuch z. B. inhaltliche Brüche, Unlogisches, Wiederholungen, Unverständliches oder wo du seitenlang an der Zielgruppe vorbei schreibst.
Auch deswegen würde ich an deiner Stelle immer ein Probelektorat erbitten. Dann siehst du, in welchem Stil die Lektorin überarbeitet.
Nimm am besten nicht eine deiner Lieblingsstellen aus dem Text, die schon mehrfach überarbeitet wurde, sondern etwas, wo du wirklich die Unterstützung der Lektorin benötigst. Damit spürst du eher die »Durchwinker« unter den Lektorinnen auf. 😉
Der Preis bestimmt die Qualität mit
Das ganze ist also auch eine Preis-Leistungs-Frage. Denn je preiswerter du gern das Lektorat hättest, umso mehr muss die Lektorin kommentieren und »durchwinken«, ohne in den Text einzugreifen.
Mir ist wichtig, damit bewusst und transparent umzugehen.
Ich biete z. B. Selfpublisher-Autorinnen an, dass ich (fast) nur mit Kommentaren statt mit Textverbesserungen arbeite, um Kosten für sie zu sparen. Denn dann schaffe ich mehr Seiten pro Stunde und kann den Seitenpreis senken. Ich bin ja selbst Selfpublisherin und weiß, dass man da häufig keine großen finanziellen Sprünge machen kann.
Wenn ihnen an manchen Stellen später selbst keine Lösung einfällt oder sie sich unsicher sind, gehen wir in einem zweiten Durchgang gezielt nur diese paar Stellen durch.
Wir ziehen also an einem Strang, um das Buch so gut zu machen, wie es mit den momentanen finanziellen Mitteln möglich ist.
Eine andere Möglichkeit, die AutorInnen schon bei mir gebucht haben: Ich bearbeite einen Teil des Manuskripts intensiv und wir besprechen die Änderungen dann. Das habe ich auch damals selbst als Autorin bei Belletristik-Lektorinnen gebucht, als ich mit Romanen gestartet bin. Im Sinne von: »Hilf mir, es selbst zu tun«.
„Ich betone in meinen Kursen für LektorInnen immer, wie wichtig das Vorgespräch mit den AutorInnen ist: Als Lektorin ist mein Ziel, wirklich herauszufinden, was deine Wünsche als Autorin an das Lektorat sind – und nicht ein „one size fits all“-Lektorat machen.“
„Ich betone in meinen Kursen für LektorInnen immer, wie wichtig das Vorgespräch mit den AutorInnen ist: Als Lektorin ist mein Ziel, wirklich herauszufinden, was deine Wünsche als Autorin an das Lektorat sind – und nicht ein »one size fits all«-Lektorat machen.“
Fehler 5: Red flags beim Probelektorat ignorieren
Es gibt ein paar Dinge, bei denen ich im Anschluss an das Probelektorat in den Austausch gehen und eventuell nicht mit der Person arbeiten würde.
Vor dem Probelektorat:
Einigt euch auf ein Vorgehen:
- In welchem Programm möchtest du mit ihr arbeiten? (Z. B. Word, GoogleDoks, OpenOffice) Immer mit »Änderungen verfolgen« eingestellt!
- Was erhoffst du dir von dem Lektorat? Was ist deine Zielgruppe? Wie gefällt dir die Textstelle, die du ausgesucht hast?
Red flags sind für mich z. B. Lektorinnen,
- die hohe Seitenpreise verlangen und trotzdem (fast) nur kommentieren
- die ein vollwertiges Lektorat versprechen, aber (trotz hohem Seitenpreis) nicht auf strukturelle Probleme des Textes eingehen, sondern nur auf der Ebene der einzelnen Sätze bleiben. (Tipps dazu findest du im Blogpost »Lektorat vs. Korrektorat«.) LINK Simone, der heißt, glaube ich anders, bitte richtigen Titel einsetzen und Link. Ist schon online.)
- die herablassend in E-Mails oder Dokument-Kommentaren mit den AutorInnen sprechen
- die nicht mit GAs (Generalanweisungen) arbeiten (Im Blogpost »Generalanweisungen« steht, was das ist.)
Indem du ins Probelektorat statt der »polierten« ersten Seiten einen Text gibst, bei dem du Hilfe benötigst, könnt ihr euch gegenseitig testen.
- Die Lektorin kann besser einschätzen, wie lange sie pro Seite etwa benötigen wird.
- Und du kannst anhand ihrer Korrekturen und Kommentare ein bisschen ablesen, ob ihr kommunikativ miteinander könnt und ob es dir weiterhilft.
Bring ein Probelektorat, zu dem du Fragen hast, gern in eine Textsprechstunde mit.
Häufig kommen z. B. neutral gemeinte Korrekturen bei AutorInnen schlecht an, obwohl sie in der Sache berechtigt sind. Da kann ich dann z.B. erklären, warum auch ich das so oder so ähnlich korrigiert hätte.
Dünnhäutige AutorInnen, querschlagende Lektorinnen?
Gib euch die Zeit, euch kommunikativ zusammenzuraufen.
Denk auch daran, dass es der Job der Lektorin ist, deinen Text zu verbessern! Der Ton sollte ihrer Korrekturen sollte aber konstruktiv sein.
Ich gebe Lektorinnen und Autorinnen in meinen Kursen das Zitat von Neil Gaiman mit auf den Weg, weil es so zutreffend ist:
Als Lektorin bin ich Testleserin deines Textes: Wenn ich an einer Stelle über etwas stolpere, sollte diese Stelle geändert werden, weil auch andere Lesende aus dem Lesefluss gerissen werden.
Aber meine Veränderung ist nur ein Vorschlag. Du kannst natürlich auch eine ganz andere Änderung durchführen. Denn du steckst tief in deinem Text und deinem Thema und hast vielleicht viel bessere Ideen, was man ändern könnte.
Wenn du das verinnerlichst, lernst du mit der Zeit, Kommentare und Änderungen von LektorInnen entspannter anzunehmen. Dann ist es nicht mehr ein Angriff auf dich oder dein Schreiben, sondern einfach freundliches Feedback, wie ein Personal Trainer, der/die deine Haltung beim Sport korrigiert.
Lohnt sich ein Lektorat überhaupt?
Lektorin und Autorin können zu einem absoluten Dream Team werden, das an einem Strang zieht, um das tolle Potenzial deines Romans oder Sachbuches freizulegen und umzusetzen. Dann geraten Lesende in den Lesefluss, möchten das Buch gar nicht mehr aus der Hand legen und erzählen ihren Freunden und auf Social Media davon.
Damit ihr ein Dream Team werden könnt, müssen beide Seiten mit offenen Augen in die Auswahl gehen. Es muss einfach »passen«.
Gleichzeitig müsst ihr euch die Gelegenheit geben, etwas »zusammenwachsen«. Denn es treffen zwei Menschen mit unterschiedlichen Kommunikationsstilen aufeinander, die leider meist nur schriftlich in der Kommentarspalte des Textes kommunizieren. Da ist es leicht, Dinge in den falschen Hals zu bekommen!
Daran sollte aber die Überarbeitung deines Textes nicht scheitern. Häufig genügt ein klärendes Gespräch, damit man kommunikativ auf eine Ebene kommt.
Ich drücke dir die Daumen für dein Buchprojekt!
Melde dich gern bei mir, wenn du Fragen hast.